Englisch als Relaissprache: Überholt oder alternativlos?

Wie aufstrebende asiatische Studios und Gamer Einfluss auf die Lokalisierungsprozesse haben


Mobile Gaming steht an erster Stelle

Es ist noch nicht lange her, dass Gaming-Unternehmen begannen, ihre Inhalte weltweit anzubieten. Es war keine Frage, dass zunächst ins US-amerikanische Englisch lokalisiert wurde. Diese Relaissprache bildete dann den Ausgangspunkt für die Übersetzung und Anpassung in europäische und asiatische Sprachen.

Dagegen gibt es heute immer mehr Anfragen einer direkten Lokalisierung von Chinesisch, Koreanisch oder Japanisch ins Französische, Spanische oder Russische. Und das ist erst die Spitze des Eisbergs, denn gängige asiatische Sprachkombinationen wie Japanisch-Malaiisch oder Chinesisch-Japanisch kommen hinzu. Um diesen Trend zu verstehen und unseren Kunden zu helfen, ihre Ziele zu erreichen, müssen wir uns die treibende Kraft hinter diesen Veränderungen genauer ansehen.

Asien ist zu einem Innovationsmotor in der Entwicklung von Gaming Content aufgestiegen, insbesondere im Markt für Mobilgeräte. Mit Indonesien, Malaysia, Thailand, Vietnam sowie weiteren Regionen ist Südostasien heute ein fünf Milliarden schwerer Mobile-First-Markt, also ein Markt, in dem mobile Endgeräte an erster Stelle stehen. Publisher aus Ländern außerhalb von Südostasien interessiert die Region im Hinblick auf das Potenzial, ihre Umsätze durch entsprechende lokalisierte Spieleversionen zu steigern.

Südostasiatische Gamer saßen die Jahrzehnte der Konsolen- und PC-Spiele weitestgehend aus und stiegen dann direkt mit den Endgeräten ins Geschäft ein, die sie bereits hatten: mit Mobiltelefonen. Das Wachstum von Mobile Gaming ging mit dem starken Anstieg an asiatischen Gamern einher.

Ein Newzoo Report von 2020 zeigt die Faktoren auf, die das Marktwachstum fördern, und bestätigt eine steigende Kundennachfrage, die auch Lionbridge Games bei der Lokalisierung in und aus südostasiatischen Sprachen erlebt. Und diese Kunden stellen immer stärker in Frage, ob der herkömmliche Übersetzungsprozess über die Relaissprache Englisch ihnen tatsächlich nützt.

Jetzt die Relaissprache überspringen und Turnaround-Zeiten verringern!

Für die Mobile-Games-Plattform ist die kürzeste Turnaround-Zeit gerade schnell genug und vergleichbar mit dem Konzept der kontinuierlichen Lokalisierung, bei dem täglich kleine Textmengen in extrem kurzer Zeit lokalisiert werden. Da weiterhin eine zeitgleiche Produkteinführung („SimShip“) vorausgesetzt wird, bedeutet das Überspringen des Zwischenschritts über Englisch für Publisher einen kürzeren Turnaround. Für einige unserer asiatischen Kunden lokalisiert Lionbridge Games innerhalb von zwei bis drei Tagen von einer beliebigen asiatischen Ausgangssprache direkt ins Französische, Spanische, Italienische oder Deutsche.

Durch Überspringen der Übersetzung in die und aus der Relaissprache lässt sich also Geld und Zeit sparen. Wenn für die weitere Lokalisierung nicht auf die Fertigstellung der englischen Fassung gewartet werden muss, kann das Spiel (und auch spätere Updates, Features usw.) schneller auf den Markt gelangen, sodass die Unternehmen auch schneller Umsätze generieren. Dadurch wiederum steigt ein so wichtiger Parameter wie die durchschnittlichen Einnahmen pro Nutzer (ARPU).

Ein anderer Grund für das Zögern, Englisch als Relaissprache einzusetzen, ist die Befürchtung, dass die ursprüngliche Botschaft und kulturelle Bezüge durch die doppelte Übertragung zu sehr an Aussagekraft einbüßen könnten: Dadurch, dass zuerst ins Englische lokalisiert und die englische Version anschließend erneut interpretiert und in die endgültigen Zielsprachen übertragen wird. Teilweise gibt es auch Bedenken, dass der Inhalt zu stark „westlich gefärbt“ wird. Es wird die Auffassung vertreten, dass dies für einige Spieler negative Auswirkungen auf die Qualität und das Flair eines Spiels haben kann.

Wie viele europäische Sprachen haben auch einige Sprachen aus dem Asien-Pazifik-Raum (APAC) eine gemeinsame linguistische, begriffliche und kulturelle Vergangenheit. Sprachliche Ähnlichkeiten, verwandte Wörter, Lehnwörter und Transliterationen, die zwischen APAC-Sprachen bestehen, könnten beim Lokalisieren über eine Relaissprache verloren gehen. Dies ist besonders dann wichtig, wenn ein Spiel auf einem asiatischen Literaturwerk (z. B. Die Reise nach Westen) oder einem bekannten Manga-IP wie One Piece basiert. Asiatische Gamer haben eine andere Erwartungshaltung in Bezug auf Handlung, Darstellung und Terminologie.

Auch der klassische Ansatz hat seine Vorteile

Angesichts der Vorteile einer direkten Lokalisierung aus der Ausgangsprache in die Zielsprache stellt sich die Frage, warum die meisten Aufnahmestudios und Publisher auch weiterhin mit Englisch als Relaissprache arbeiten. Zuallererst steht weiterhin ein größerer Pool äußerst erfahrener Übersetzer im Bereich Gaming ins Englische bzw. aus dem Englischen zur Verfügung, verglichen mit der Anzahl Übersetzer mit Sprachkombinationen wie Koreanisch-Spanisch, Japanisch-Russisch oder Chinesisch-Brasilianisches Portugiesisch.

Hinzu kommt, dass Übersetzungsansätze durch die englische Sprache harmonisiert werden können und die Lokalisierung von europäischen sowie APAC-Sprachen somit eine gemeinsame Basis hat. Die Ergebnisse einer inhaltlichen Analyse des Ausgangsmaterials können team- und sprachübergreifend geteilt werden. So verringert sich die Anzahl von Rückfragen. Darüber hinaus dürfte der gemeinsame Projektrahmen die Anzahl an sprachlichen Fehlern aufgrund von Mehrdeutigkeiten oder Missverständnissen minimieren. Hinzu kommen die Unterschiede in der Typographie für Bildschirmtext in Sprachen wie Japanisch, Chinesisch und Koreanisch im Vergleich zu europäischen Sprachen und die Möglichkeit, durch Nutzung von Englisch als Relaissprache den englischen Text bereits im Spielkontext zu testen. Dadurch dürfte sich die Gesamtzahl an Layoutfehlern und Fehlern durch abgeschnittenen Text und somit auch der Korrekturaufwand verringern.


Kulturelle Kompetenz ist das Herzstück einer guten Lokalisierung

Die Übersetzung von Inhalten aus dem asiatischen Raum für die westliche Welt umfasst wesentlich mehr als sprachliche Korrektheit. Zu einer guten Lokalisierung gehört auch die Anpassung von kulturspezifischen Elementen an westliche Zielgruppen sowie die Erläuterung von Begriffen, die Gamern aus diesen Regionen vielleicht nicht vertraut sind. Eine geopolitische Prüfung kann darüber hinaus Elemente identifizieren, die kulturell oder politisch für den lokalen Markt ungeeignet sind.

Dabei kann es sich sowohl um textliche, visuelle (Gesten, Kleidung, Symbole) als auch verbale Elemente handeln. Werden solche Elemente während der Content-Erstellung nicht angemessen berücksichtigt, können sie ein hohes Risiko für Marketingkampagnen sowie den Erfolg des Spiels darstellen und letztendlich den Unternehmensruf gefährden. Westliche Gamer haben sicher wenig Spaß an Inhalten, die ihren Werten entgegenstehen. Die Durchführung einer gründlichen geopolitischen Prüfung des englischen Inhalts reduziert die Anzahl potenzieller Probleme für andere westliche Kulturen, und die gewonnenen Erkenntnisse können im Zuge einer gemeinsamen Lokalisierungsstrategie an die jeweiligen Übersetzungsteams weitergegeben werden.

Unabhängig von ihrer Nationalität ist Englisch die Lingua Franca der Gamer-Community. Dies gilt auch für einige Märkte Südostasiens, in denen Englisch zu den offiziellen Landessprachen gehört oder aber sehr weit verbreitet ist. Die englische Sprache ermöglicht es Publishern, Gamer in vielsprachigen Märkten wie Indien, Malaysia oder den Philippinen zu unterstützen und sich mit der Community auszutauschen. Zudem ist die englische Sprache gleichzeitig der Zugang zum US-amerikanischen Markt (und zu anderen englischsprachigen Regionen): Hier werden (im Jahresvergleich) im ersten Halbjahr im Bereich Action-Spiele für Mobilgeräte Wachstumsraten von 104 Prozent und kontinuierliche Ausgaben für Spiele verzeichnet.   

Ist Englisch als Relaissprache also wirklich nicht mehr aktuell? Ganz und gar nicht.

Lionbridge Games ist einzigartig positioniert, um mit Ihnen zusammenzuarbeiten – egal, ob Sie sich für eine direkte Übersetzung zwischen asiatischen Sprachen entscheiden, Englisch als Relaissprache wünschen oder auf beiden Hochzeiten tanzen und so das Beste aus beiden Welten miteinander verbinden möchten. Lassen Sie uns über Ihre Prioritäten sprechen: Schnellere Markteinführung? Minimierung geopolitischer Risiken? Maximierung Ihrer Budgets? Egal, wo Ihre Prioritäten liegen – wir stellen die Experten und Prozesse, die Sie brauchen.


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VERFASSER
Eva Herreros und Cheonjo Kong