Was ist ein Audiodesigner und wie bist du zum Sound-Design für Videospiele gekommen?

Erfahren Sie, wie Rocket Sound und Lionbridge Games gemeinsam erstklassige Gaming-Audioservices für den US-Markt entwickeln


Als Gründer und CEO von Rocket Sound ist Tom Hays ein Experte für die Audioproduktion und das Sound Design von Videospielen. Sechs Monate, nachdem Rocket Sound sich Lionbridge Games angeschlossen hat, führte Managing Director Tugdual Delisle ein Interview mit Tom. In diesem Blogbeitrag gibt er einen Einblick in die Veränderungen im Bereich der Gaming-Audioservices und wie sich Technologie und Globalisierung auf die Branche auswirken. Durch die Partnerschaft mit Lionbridge Games ist Rocket Sound in der Lage, herausragende originale und lokalisierte Game Sound Designs für das nordamerikanische Publikum zu produzieren.

Was ist ein Audiodesigner und wie bist du zu Videospielen gekommen?

Wie viele andere in dieser Branche fing ich bereits als Kind an, Gitarre zu spielen, und begeisterte mich für das Drehen von Knöpfen an den Effektpedalen. Das führte mich zu der Frage: Was bedeutet Audio überhaupt? Wie lässt sich Sound erzeugen? Ich studierte eingehend Themen wie Aufnahmetechnik, Synthese und Psychoakustik. Als ich dann begann, mich mit Computern und Programmierung zu beschäftigen, wurde mir klar, dass es ein Gebiet gab, das meine Interessen vereinte. Bei Videospielen können wir die klangliche Kreativität mit der Arbeit des Spieleentwicklers verbinden, indem wir Sound einsetzen, um Stimmung und Gameplay zu erzeugen und zu verbessern.

Was war der Grund dafür, dein eigenes Studio zu gründen?

Ich hatte 10 Jahre als angestellter Audio Director gearbeitet und acht Jahre das Team für Game Sound Design bei Technicolor aufgebaut. Meine Partner und ich hatten das Gefühl, dass es an der Zeit für etwas Neues war. Wir wollten auf dem aufbauen, was wir über die Art und Weise gelernt hatten, wie man richtig Studios leitet, Projekte durchführt und erstklassige Spiele entwickelt.

Erinnerst du dich an das erste Spiel, an dem du gearbeitet hast?

Das war ein Dick Tracy-Game in den frühen 90ern, bei dem wir Sprachdateien für die Disney Sound Source programmiert haben – ein etwas sonderbares Gerät, das über eine Schnittstelle an den PC angeschlossen wurde. Das erste größere Spiel, an dem ich monatelang intensiv gearbeitet habe, war die PC-Version von Myst.

Was sind die Schlüsselfaktoren für deinen Erfolg mit Rocket Sound?

Der ist natürlich zum großen Teil den Beziehungen zu verdanken, die wir im Laufe der Jahre aufgebaut haben, aber auch unserer Erfolgsbilanz. Es ist einfach angenehmer, sich im Team in große, verrückte Spieleprojekten reinzuknien und am Ende großartige Ergebnisse abliefern zu können. Wenn so viel auf dem Spiel steht wie bei einem großen AAA-Game, sollte man sich klugerweise mit Leuten zusammentun, die nicht nur Erfahrung haben, sondern auch den Prozess verstehen, wie man ein erfolgreiches Spiel rechtzeitig fertigstellt. Hinter all dem steckt die Mentalität einer kleinen Firma, die niemals Kompromisse bei der Qualität eingeht, auch wenn das nicht immer den günstigsten Preis bedeutet.

Warum hast du der Übernahme von Rocket Sound durch Lionbridge Games zugestimmt? Für den Unternehmer in dir muss das schwer gewesen sein …

Zunächst einmal kenne ich Matt Whiting schon seit Jahren. Bevor er VP bei Lionbridge Games wurde, arbeitete er bei Microsoft, während ich bei Technicolor war. Wir haben gemeinsam an den ersten Gears of War-Titeln gearbeitet, Lost Odyssey und einigen anderen, und ein enges Vertrauensverhältnis aufgebaut. Darüber hinaus haben wir mit Lionbridge seit 2015 bei mehreren großen Projekten als Auftragnehmer zusammengearbeitet. Ich war immer beeindruckt davon, wie sehr Lionbridge den Schwerpunkt auf Qualität setzt und dabei intelligent mit Prozessen umgeht. Das ist wichtig, denn die kreativen Köpfe sollen sich ganz auf ihre Arbeit konzentrieren können.

Wie willst du die Mentalität eines Kleinunternehmens beibehalten, während du bei einem globalen Player wie Lionbridge arbeitest?

Eine Hauptbedingung für die Partnerschaft war, dass wir gemeinsam all das bewahren, was an Rocket Sound so großartig ist, und uns gleichzeitig die Ressourcen geben, um zu wachsen und unser Angebot zu verbessern. Niemand im Rocket Sound-Team möchte qualitativ minderwertige Arbeit leisten. Wir alle sind dabei, weil es Spaß macht und befriedigend ist, an der Entwicklung von spannenden und fantastischen Dingen teilzuhaben. Lionbridge macht sich diese Qualität zu eigen und fördert sie noch.

Du hast an vielen AAA-Spielen gearbeitet. Was sind die wichtigsten Trends, die du in dem Bereich beobachtest?

Der offensichtlichste Trend ist die starke Zunahme von Games as a Service. Es gibt immer noch viele große Spieleprojekte, die mehrere Jahre der Entwicklung durchlaufen, wobei die letzten Phasen vor der Veröffentlichung manchmal mit einem wahnsinnigen Crunch verbunden sind. Doch heutzutage kümmert sich das Team bereits kurz nach der Erstveröffentlichung um die ersten Live-Updates, die manchmal in einem Rhythmus von sechs Wochen oder sogar wöchentlich herausgebracht werden. Dann gibt es noch das Modell, ein wesentlich kleineres Spiel als Erstveröffentlichung zu entwickeln und es dann zu erweitern, wenn es sich gut verkauft. So kann die Entwicklung eines Spiels manchmal noch Jahre nach der Veröffentlichung weitergehen. Für uns bedeutet das, dass Kunden mit dringenden Anfragen auf uns zukommen, wenn sie sich auf die Veröffentlichung eines Updates vorbereiten und eine schnelle Umsetzung benötigen. Eine der Herausforderungen, die wir bei Lionbridge meistern, sind mehrsprachige Updates, die in einem Zeitfenster von wenigen Wochen zeitgleich veröffentlicht werden.

Einige Games setzen heute auch auf einen natürlicheren Sound als früher, inklusive der Synchronisation von Stimmen, und nutzen ausgeklügelte Audioeffekte, um Geräusche so wirken zu lassen, als kämen sie direkt aus der Umgebung. Wir müssen also ein sehr neutrales Sound Design liefern, bei der das Tonstudio nicht hörbar sein darf. Das kann schwieriger sein, als es sich anhört, aber genau dafür haben wir unsere Studios konzipiert.

Darüber hinaus ist der Anspruch der Spieler an die Qualität in den letzten Jahren dramatisch gestiegen. Da viele Entwickler gute Arbeit geleistet haben, liegt nun auch die Messlatte viel höher.

Glaubst du, dass Technologie in diesem Bereich eine unterstützende Rolle spielen kann?

Auf jeden Fall. Man braucht zwar immer smarte, gut organisierte Leute, um Projekte zu bewältigen, aber wir verlassen uns auch auf Software-Tools, um den Überblick zu behalten. Wir verwenden Excel schon seit Jahren als eine Art Schweizer Taschenmesser für die Datenverarbeitung, genau wie benutzerdefinierte Makros und Keyboard Maestro. Das Letzte, was man will, ist ein Game durch einen Tippfehler in einem Dateinamen oder eine vergessene Ressource zu beeinträchtigen.

Lionbridge hat in diesem Bereich einen Riesenschritt nach vorn gemacht, mit einem Cloud-basierten System, das eine ganze Reihe von zusammenhängenden Aufgaben während der Produktion erledigt. Es hilft uns mit der Erstellung von Aufnahme-Sessions, dem Tracken des Fortschritts, prüft bei Bedarf die Synchronisierung und übernimmt andere integrierte Sicherheitsmaßnahmen und kann das, was wir auf Englisch machen, in unsere Studios in anderen Ländern übertragen. Das kann unseren Kunden und uns viel Zeit und Ärger ersparen, vor allem, wenn mehrere Sprachen zu berücksichtigen sind. 

Apropos Technologie: Was sind die wichtigsten technologiebasierten Trends, die du im Game Sound Design siehst? Auf was machst du dich gefasst?

Seit einiger Zeit schon ist der Schlüsselbegriff im Game Sound Design für mich die Granularität. Je leistungsfähiger die Prozessoren werden und je ausgereifter die Systeme, die die Entwickler in ihre Spiele einbauen, desto besser können wir Audioeffekte mit einzelnen Teilen der Spielwelt verknüpfen und diese in Echtzeit verarbeiten, damit sie gut klingen. Nehmen wir z. B. eine Steinlawine: Mit der alten Methode erstellte man einen kombinierten Sound für den Anfang, die Mitte und das Ende. Irgendwann waren wir so weit fortgeschritten, dass mithilfe des sogenannten „Sweetenings“ ein Felsen, der links vorbeirollte, auch links zu hören war. Nun kommen wir an einen Punkt, an dem die Steinlawine aus Sounds aufgebaut werden kann, die mit den einzelnen Interaktionen zwischen den Steinen verbunden sind. Das liegt zum Teil an der Entwicklung von Physik-Engines, die weniger die Aktionen selbst zugrundelegen, z. B. dass ein Stein auf den nächsten trifft, sondern mehr Informationen über die Stärke, den Winkel und die Oberfläche einbeziehen. So können wir erreichen, dass ein Spielecharakter von einer Steinlawine begraben wird und der Spieler alle Details der Steine hört, die ihn unter sich begraben.

Und dann ist da natürlich noch die Sprachsynthese oder Text-to-Speech. Diese wird zunehmend besser, und ich denke, dass mit der Zeit mehr Arbeit in die Entwicklung von Korpussen (Vokabularen) für TTS-Systeme fließen wird. Ich bin mir nicht sicher, ob das sofort zu weniger Original-Voiceover führen wird, aber möglicherweise wird das Wachstum nicht mehr so rapide ausfallen.

Zudem gibt es immer eine Überschneidung zwischen diesen beiden Beispielen: die Nutzung von Dingen wie neuronalen Netzen zur Analyse von Sounds und Szenen und zur Erstellung oder Verbesserung von Audioeffekten.

Du hast auch viele asiatische Kunden. Wie erstellt man ein Videospiel für den US-Markt, wenn man kein amerikanischer Entwickler ist? Welchen Rat kannst du hier geben?

Wenn sich ein Game für das US-Publikum natürlich anfühlen soll, muss man manchmal ein wenig loslassen. Dafür muss die Persönlichkeit des Schöpfers nicht völlig verwischt werden, aber es ist wichtig zu verstehen, dass bestimmte Dinge bei einem westlichen Publikum oder sogar in einzelnen westlichen Ländern völlig anders ankommen. Humor ist bspw. extrem schwer zu übersetzen. Darum ist es empfehlenswert, eine kulturelle Überprüfung und Korrektur des Gaming-Skripts zuzulassen. Es ist besser, die Intention hinter den Worten richtig rüberzubringen, als wörtlich zu übersetzen.

Was sind die Hauptunterschiede zwischen der Arbeit an einem englischen Originaltitel und der Adaption einer Version für den nordamerikanischen Markt?

Da gibt es Unterschiede auf vielen Ebenen. Bei der Lokalisierung besteht die Aufgabe in der Regel darin, Versionen von vorhandenen Audios zu erstellen, die sich für das westliche Publikum richtig anhören, wobei die ursprüngliche Vision erhalten bleibt. Bei einem Originaltitel arbeitet das Team daran, Charaktere und Performances zu erschaffen, die zu einer im Aufbau befindlichen Spielwelt passen, und kann oft Einfluss darauf nehmen, wie diese Welt gestaltet wird. Außerdem existiert bei der Lokalisierung bereits das gesamte Skript des Originals, unabhängig davon, ob es bereits übersetzt und angepasst wurde, wenn wir damit loslegen. Bei einem Originalspiel ist es nicht ungewöhnlich, dass ein Haufen Material von den ersten Aufnahmen wieder verworfen wird, während das Spiel Prototypen und vertikale Schnitte durchläuft.

Außerdem können wir bei Originalspielen andere coole Techniken als das traditionelle Setup mit einem Synchronsprecher und einem Mikrofon einsetzen. Ein tolles Beispiel dafür ist Gears 5, wo wir Ensemble-Aufnahmen, Sprachaufnahmen während der Bewegungserfassung, Gesichtsaufnahmen im Studio und ADR (das Ersetzen von Zeilen in bestehenden Filmsequenzen) gemacht haben.


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Lionbridge Games